Das Institute for Biomedical Translation (IBT) will biomedizinische Spitzenforschung in die klinische Praxis bringen. Dafür hat das IBT in der zweiten Förderrunde Anschubfinanzierungen in Höhe von mehr als 1,6 Millionen Euro vergeben. Neun Forschungsvorhaben haben an der Endrunde des Wettbewerbs um die Fördermittel teilgenommen, zwei Sieger kürte jetzt die Jury. Einer davon ist das Projekt Bacta Implants unter der Leitung von Privatdozentin Dr. Verena Scheper, Wissenschaftlerin an der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Gemeinsam mit ihrem Team entwickelt sie Implantate für die Behandlung von Hörstörungen. Das Projekt wird vom IBT nun mit rund 770.000 Euro über zwei Jahre unterstützt. „Diese Förderung ermöglicht uns, eine klinische Studie durchzuführen, um beweisen zu können, dass unsere Idee funktioniert“, sagt PD Dr. Scheper. Auch MHH-Präsident Professor Dr. Michael Manns freut sich über den Erfolg: „Die Translation von klinischer Spitzenforschung in die Anwendung ist der Motor für eine bessere Krankenversorgung. Das IBT beschleunigt diesen Transfer als Inkubator durch die Start-up-Förderungen.“
Bacta Implants ermöglicht die gezielte Abgabe von Wirkstoffen in schwer zugängliche Bereiche des Körpers. Das erste Ziel der Plattformtechnologie ist die Bekämpfung von Hörsturz. Im 3-D-Druck mit einem Bio-Plotter entsteht dabei aus Silikon ein elastisches Implantat, das einen Wirkstoff gegen Hörverlust enthält und exakt auf die individuelle Patientenanatomie angepasst ist. Das Implantat lässt sich unter örtlicher Betäubung über einen kleinen Schnitt am Trommelfell direkt in die sogenannte Rundfensternische einsetzen, die das Mittelohr mit dem Innenohr verbindet. Bislang wird ein Hörsturz durch Tabletten oder durch Spritzen behandelt. Das Problem dabei ist, dass so nur geringe Anteile der eingesetzten Wirkstoffe ins Innenohr gelangen. Daher ist entweder die Heilwirkung zu gering oder die Dosis muss so hoch sein, dass unerwünschte Nebenwirkungen entstehen. „Beides kann durch unser Implantat vermieden werden, weil der Wirkstoff keinen Umweg nehmen muss und sich gezielt an der richtigen Stelle entfalten kann“, betont PD Dr. Scheper.
In individuellen Heilversuchen wurde das Rundfensternischen-Implantat (RNI) bereits wirksam an Patientinnen und Patienten nach einem Hörsturz erprobt. Doch bevor PD Dr. Scheper mit ihren beiden Kolleginnen aus der HNO-Klinik ein eigenes Unternehmen gründen und ihre innovative Entwicklung in die Anwendung bringen kann, muss das Team in einer klinischen Studie nachweisen, dass das RNI das Medikament tatsächlich an das Innenohr bringt. „Diese erste Studie ist Voraussetzung, damit wir eine Zulassungsstudie durchführen können“, sagt die Wissenschaftlerin. Nun freut sie sich gemeinsam mit ihren Kolleginnen darüber, dass die Siegprämie aus dem IBT-Start-up-Wettbewerb ihnen diesen Nachweis finanziell ermöglicht.
An der zweiten Wettbewerbsrunde des Institute for Biomedical Translation (IBT) Lower Saxony haben jeweils drei Projekte der MHH, der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) teilgenommen. Neben dem Projekt Bacta Implants hat das HZI-Projekt PROTON die Jury überzeugt. Es entwickelt eine Technologie zur Verhinderung von gefährlichen bakteriellen Infektionen und erhält eine Förderung von rund 890.000 Euro.
Service:
Die Pressemeldung des IBT finden Sie hier.
Weitere Informationen erhalten Sie bei PD Dr. Verena Scheper, scheper.verena@mh-hannover.de.
Text: Kirsten Pötzke
20 Kinder verbrachten am 25.04.2024 einen aufregenden Zukunftstag im Niedersächsischen Zentrum für Biomedizintechnik und Implantatforschung, wo sie faszinierende Einblicke in die Welt der Implantatforschung erhielten. So lernten die Schüler*innen unter anderem wie Zellen tauben Patienten helfen können, das Licht in die Zelle kommt und wie Blut besser konserviert werden kann. Wie im letzten Jahr konnten wir auch dieses Mal wieder ein Angebot für ukrainische Schüler bereitstellen. Es war eine inspirierende Erfahrung für alle Beteiligten!
Von Bärbel Hilbig
Menschen mit Hörproblemen sind schnell isoliert, abgeschnitten von Gesprächen, auch weil die Umgebung vielleicht gar nicht von ihrer Einschränkung weiß. Wie Schwerhörige wieder oder einfach besser hören können, ist das große Thema der Forscherinnen und Forscher im niedersächsischen Exzellenzcluster „Hearing4all“, auf Deutsch „Hören für alle“. Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) konzentriert sich dabei auf Verbesserungen rund um Hörimplantate.
Ein Beispiel: Cochlea-Implantate sind eine etablierte Technik, um Menschen mit mittelgradigem Hörverlust bis völliger Taubheit zu helfen. Die elektronische Hörprothese wird dafür operativ im Schädelknochen hinter dem Ohr eingebettet. „Der anspruchsvollste Schritt besteht darin, die anhängende Elektrode in die empfindliche Struktur im Innenohr einzuführen, damit sie dann frei in der Hörschnecke hängt“, berichtet Forschungsgruppenleiter Thomas Rau. Das muss sehr vorsichtig geschehen.
Denn bei einer minimalen Verletzung könnte der Patient sein Restgehör verlieren. „Manche Patienten entscheiden sich deshalb gegen eine Operation“, sagt Mitarbeiter Georg Böttcher-Rebmann.
Bisher müssen Chirurgen beim Einführen der dünnen und biegsamen Elektrode auf ihr Gefühl vertrauen. Der Widerstand, auf den sie reagieren müssen, ist allerdings kaum zu spüren. Georg Böttcher-Rebmann hat dafür ein Werkzeug mit Kraftsensor entwickelt, der die auf das Implantat wirkenden Kräfte misst. Der Prototyp wird jetzt in einer klinischen Studie mit Patienten getestet.
Federführend beim Exzellenzcluster „Hearing4all“ ist die Universität Oldenburg, die MHH ist maßgeblich beteiligt, außerdem die Leibniz Universität. Allein in Hannover forschen 15 Arbeitsgruppen direkt im Verbund, weitere kooperieren. An der Leibniz-Uni entwickeln Chemiker etwa Beschichtungen für Cochlea-Implantate, die entzündungshemmende Medikamente speichern und nach der Operation freisetzen.
Bund und Land zahlen seit 2019 für sieben Jahre 55 Millionen Euro, davon gehen 23 Millionen nach Hannover. Die MHH hat seitdem außerdem fast 15 Millionen Euro zusätzliche Fördermittel eingeworben.
Quellenangabe: HAZ vom 02.04.2024, Seite 11
Bild: Tim Schaarschmidt
Auf den Gesundheitswochen im Aufhof waren Arbeitsgruppen aus dem Niedersächsischen Zentrum für Biomedizintechnik und Implantatforschung präsent, um den Bürger:innen Einblicke in ihre Forschungsarbeit zu geben und Wissen zu vermitteln. Durch interaktive Präsentationen und informative Gespräche gelang es den Arbeitsgruppen, das komplexe Thema der Biomedizintechnik und Implantatforschung verständlich und greifbar zu machen. Die Besucher hatten die Möglichkeit, sich über neueste Entwicklungen und Technologien zu informieren und Fragen zu stellen, wodurch ein reger Austausch zwischen Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit entstand. Die Veranstaltung trug dazu bei, die Bedeutung dieser Forschungsbereiche für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen zu betonen und das Verständnis dafür in der breiten Öffentlichkeit zu fördern.
Titelbild: ©Karin Kaiser/MHH
Am 30.1.24 fand sehr erfolgreich im NIFE die 3. Veranstaltung in der Reihe ´Digital Implant Innovation Forum´ eine Veranstaltung mit 12 Vorträgen zu allen Aspekten des Tissue Engineering´ (TE) sowie mit Poster-Veröffentlichungen einzelner Gruppen in und um das NIFE herum statt.
Für den Vorstand des NIFE waren Prof. Holger Blume und Prof. Meike Stiesch anwesend, der Präsident der MHH, Herr Prof. Manns, sprach mittags ein Grußwort, indem er die multidisziplinäre Forschungsarbeit des NIFEs und insbesondere den Wert für die hochqualitative Nachwuchsausbildung an Wissenschaftlerinnen hervorhob. Das TE unterliegt letztlich denselben „harsh conditions“ wie menschliche oder auch tierische Transplanate, mit hohen Qualitätsanforderungen in Hinblick auf die Funktion, Strategien zum Funktionserhalt und zur immunologischen Verträglichkeit beim Empfänger, hierzu gab es einige Übersichts-Vorträge. In der sehr erfolgreich und dicht gestalteten Veranstaltung kamen außerdem Themen aus der Grundlagenforschung zu neuen Möglichkeiten der autologen Zellgewinnung und – expansion aus verschiedenen Körperzellnischen und zur immunogenen Maskierung zur Vermeidung von Abstoßungen zur Sprache, aber auch ganz innovative Möglichkeiten des Sauerstoff- oder pH-Monitorings im oder am Gewebe, sowie ganz neue Implantatkonzepte wie Carbonanotubes zur Herzmuskelunterstützung oder zum Energy Harvesting im Körper. Einige der vorgestellten Neuentwicklungen könnten möglicherweise einen Quantensprung in der Herstellung von Implantaten ermöglichen, wie z. B. der hochaufgelöste 3D-Druck bei der Scaffoldproduktion, gestützt durch die technischen Entwicklungen bei Bioprinterherstellern und durch intelligente ingenieurwissenschaftliche Innovationen. Das Forscherteam im NIFE kam in engeren Austausch mit anderen Forschern aus LUH und MHH sowie der TU Dresden und mit Vertretern kleinerer, aber auch größerer Firmen. In einer spannenden Podiumsdiskussion wurde zusammen erörtert, wie Ergebnisse aus den Forschungsaktivitäten zum TE in Deutschland und in Europa rasch in den industriellen und klinischen Transfer zu bringen sind und welche Hürden, auch finanzieller Art, es hier zu überwinden gibt. Abschließend wurden die eingeladenen Podiumsteilnehmer aufgefordert, ihre Motivation zum Transfer von neunen TE-Produkten in Industrie und Klinik für die R&D Community auf einen Punkt zu bringen. Beispielhaft dafür war das sinngemäße Zitat von Dr. Teepe, CellTro, (Spin-Off, Dresden) genannt „Think big – and never give up!“.
Wir freuen uns auf die nächste Veranstaltung dieser Reihe die für den Herbst 2024 geplant ist.
Mann erhält individuell mit 3D-Drucker angefertigtes Implantat, das zudem Medikamente abgibt
Erstmals hat die HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) einen erwachsenen Patienten mit einem individuell angepassten Implantat für den äußeren Gehörgang versorgt. Das Implantat ist im 3D-Druck hergestellt und zusätzlich so konzipiert, dass es kontinuierlich und lokal einen Wirkstoff freisetzt, um die Heilung zu beschleunigen. „Wir haben damit die Tür geöffnet zu einer neuartigen und zukunftsweisenden Patientenversorgung“, erklärt HNO-Klinikdirektor Professor Dr. Thomas Lenarz. Die MHH ist die weltweit erste Klinik, die ein Implantat auf die individuelle Anatomie des Patienten angepasst mit dem Desktop Health 3D-Bioplotter herstellt und durch Wirkstoffzugabe funktionalisiert hat.
Der nun damit versorgte Patient litt an einer wiederkehrenden Verengung des Gehörgangs, die mehrfach operativ versorgt wurde, ohne den gewünschten Erfolg zu zeigen. Das jetzt eigens hergestellte Implantat ermöglicht sowohl eine Stentfunktion als auch eine Medikamentenabgabe. „Die erste Nachkontrolle ist schon sehr vielversprechend verlaufen“, berichtet PD Dr. Verena Scheper, deren Team der Pharmakologie des Innenohres der HNO-Klinik das Implantat entworfen und mit dem 3D-Bioplotter Manufacturer Series hergestellt hat.
Bei dieser Versorgung handelt es sich um einen individuellen Heilversuch, da der Patient mit konventionellen Möglichkeiten austherapiert ist. Die Finanzierung wird durch die motivierte HNO-Klinik getragen.
Die HNO-Klinik der MHH ist international bekannt für das weltweit größte Cochlea-Implantat-Programm zur Versorgung schwerhöriger Patientinnen und Patienten. Bereits 1984 wurde hier die erste CI-OP durchgeführt. 2003 wurde das Deutsche HörZentrum Hannover eröffnet. Bis heute hat die Klinik mehr als 11.111 Betroffene mit einem Cochlea-Implantat versorgt. Weitere Schwerpunkte bestehen im Bereich der Hörgeräteversorgung und deren Weiterentwicklung, der Früherfassung kindlicher Schwerhörigkeit, der Diagnostik und Behandlung von Innenohrschwerhörigkeiten einschließlich Tinnitus.
Text: Daniela Beyer
Veröffentlicht unter: https://www.mhh.de/presse-news/mhh-setzt-weltweit-erstes-innovatives-implantat-in-gehoergang-ein
Im Rahmen des diesjährigen Knowember der Wissenschaft veranstaltete das NIFE und der Sonderforschungsbereich SIIRI eine interessante Reise durch die faszinierende Welt der Biomedizintechnik und Implantatforschung. Die Besucher erlebten erkenntnisreiche Einblicke, tauchten tief in innovative Forschungsprojekte ein und erfuhren mehr über die neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet. Die Veranstaltung war äußerst erfolgreich, und die positive Resonanz der Teilnehmer spiegelt die Begeisterung für die wegweisenden Arbeiten der Forscher*innen im NIFE wieder.
Wir freuen uns auf den Knowember der Wissenschaft 2025, NIFE und SIIRI sind wieder dabei!