Hannover. Erst Klassik, dann Suzanne Vega. Beim Besuch von Bundesforschungsministerin Annette Schavan wird Musik ganz unterschiedlicher Genres gespielt. Doch die Töne, die in den Laboren im Medical Park erklingen, sind kein Teil des Unterhaltungsprogramms. Die Hörforscher der Medizinischen Hochschule (MHH) um Prof. Thomas Lenarz demonstrieren der Ministerin am Computer, wie ertaubte Menschen mit einem Cochlea-Implantat Töne wahrnehmen. Mit der neuesten Generation dieser Innenohrimplantate, die bis zu 120 Tonhöhen unterscheiden können, sei es erstmals möglich, auch Musik als solche zu erkennen, erklärt Privatdozent Andreas Büchner. Ein gesundes menschliches Ohr kann zwischen mehr als 5000 Tonhöhen differenzieren. Lenarz und seine Kollegen arbeiten daran, Implantate für Hörgeschädigte ständig zu optimieren. Zu diesem Zweck haben sie in Kooperation mit der Industrie den Forschungsverbund „Vianna“ gegründet. Dieser wiederum ist Teil des Niedersächsischen Zentrums für Biomedizintechnik (NIFE), einem weitverzweigten Netzwerk, in dem rund 400 Wissenschaftler aus 36 Arbeitsgruppen von MHH, Leibniz Universität, Tierärztlicher Hochschule (TiHo) und dem hannoverschen Laser-Zentrum zusammenarbeiten. Sie alle forschen an innovativen Medizin- und Bioimplantaten verschiedenster Art – Ziel ist es, diese besser verträglich und langlebiger zu machen. Die Bandbreite reicht von im Labor gezüchteten Herzklappen aus patienteneigenem Gewebe über Knochenschrauben aus Metallen, die sich im Körper auflösen, bis zu Zahnprothesen, die resistent gegen Entzündungen sein sollen. Weil die Wissenschaftler für ihren bereits vor einem Jahrzehnt ins Leben gerufenen Kooperationsverbund nun endlich ein gemeinsames, 7000 Quadratmeter großes Forschungsgebäude bekommen, war Schavan am Freitag erstmals auf dem Medical-Park-Campus zu Gast. Denn ihr Ministerium zahlt die Hälfte der Baukosten von 54 Millionen Euro (die andere Hälfte trägt das Land), und Schavan wollte sich persönlich darüber informieren, ob das Geld gut angelegt ist. MHH-Präsident Dieter Bitter-Suermann, seine Amtskollegen von Uni und TiHo, Erich Barke und Gerhard Greif, sowie ein gutes Dutzend Professoren beantworteten ausführlich die Fragen der Ministerin. Die wollte auch Details ganz genau wissen. „Was bedeutet denn nun Kyrokonservierung?“, hakte sie nach – und erfuhr, dass es sich dabei um ein spezielles Kühlverfahren für Biomaterialien mit flüssigem Stickstoff handelt. Am Ende ihres Rundgangs gab die Forschungsministerin ein durchweg positives Urteil ab. „Sie haben hier in Hannover ein besonders gelungenes und nachhaltiges Beispiel für wissenschaftliche Interdisziplinarität etabliert“, lobte Schavan. Und sie sicherte schon jetzt zu, im Frühjahr 2013 zur Eröffnung des NIFE-Neubaus wieder in den Medical Park zu kommen. Die nächste Bundestagswahl steht schließlich erst im Herbst des Jahres an. Juliane Kaune (Artikel vom 01.07.2011 aus der HAZ)